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Die unglaubliche Grace Adams: Rezension zum Buch

Die unglaubliche Grace Adams ist frisch im Ullstein Verlag erschienen und nimmt die Leser:innen mit auf eine sehr emotionale Reise durch Grace Adams‘ Leben. Wie der Klappentext schon verrät, ist die Geschichte tragisch und komisch zugleich, auf jeden Fall aber direkt aus dem Leben gegriffen. Die meiste Zeit konnte ich das Buch kaum weglegen, aber ein paar kleine Kritikpunkte gab es dann doch. Mehr verrate ich euch in dieser Rezension zum Buch. [Anzeige]

Steckbrief

Titel: Die unglaubliche Grace Adams

Autor: Fran Littlewood

Übersetzerin: Katharina Naumann

Seiten: 368 (Klappenbroschur)

Verlag: Ullstein

Erscheinungstermin: 27.04.2023

Die unglaubliche Grace Adams Rezension

Rezension zum Buch Die unglaubliche Grace Adams

Aufbau und Handlung

Grace Adams reicht es – mitten im Stau auf der Autobahn steigt sie aus und läuft los. Sie will ihre Tochter und ihren Ex-Mann, mit denen beiden sie sich verkracht hat, mit einer Geburtstagstorte überraschen. Während ihres Wegs durch das brütend heiße London durchlebt Grace zahllose Erinnerungen an die letzten Jahre mit ihrer kleinen Familie und lässt Revue passieren, wie es so weit kommen konnte. Obwohl – oder gerade weil – sie dabei alle Gefühle durchlebt, die sie bislang verdrängt hat, soll dieser Marsch alles verändern.

Als Leser:in lernen wir Grace im ersten Kapitel von Die unglaubliche Grace Adams am Rande eines Nervenzusammenbruchs kennen. Im Laufe des Buchs erfahren wir häppchenweise, was eigentlich passiert ist. Dafür wird auf drei verschiedenen Zeitebenen erzählt:

  • heute: Grace irrt durch das heiße London, fest entschlossen, sich mit ihrer Tochter zu versöhnen, während ihre Vergangenheit sie einholt.
  • vor drei / vier Monaten: Die innige Beziehung zwischen Grace und ihrer Tochter erleidet durch einen Zwischenfall einen Bruch, der sich durch aufgestaute Gefühle aus der Vergangenheit angebahnt hat.
  • 2002 und folgende Jahre: Grace lernt den Vater ihrer Tochter kennen und stolpert in eine unerwartete Schwangerschaft und Ehe.

Die Aufteilung der Erzählung in verschiedene Zeitebenen und die sich abwechselnden Kapitel sorgen dafür, dass man schnell in Graces Leben abtaucht, jedoch nie zu viel verraten wird. Über 300 Seiten setzt sich so wie ein Puzzle das ganze Chaos zusammen und ergibt immer mehr Sinn – inklusive eines großen Spannungsbogens.

Das Ende des Romans

Der ganz große Lebenseinschnitt, der letztendlich der Auslöser für Graces Zusammenbruch und das Leid von Tochter und Ex-Mann ist, wird erst kurz vor Schluss verraten. Das Geheimnis lässt kurz den Atem stocken und plötzlich erscheinen all die „seltsamen“ Verhaltensmuster und Ausbrüche der drei Familienmitglieder völlig logisch.

Das hochemotionale Happy-End, das man als Romance-Leser:in daraufhin erwartet, bleibt allerdings aus – im ersten Moment etwas enttäuschend. Letztendlich entspricht es aber auch der schonungslosen Realität, die Fran Littlewood mit ihrer Darstellung einer zerrütteten Familie und ihren unterdrückten Traumata abbildet. (An dieser Stelle wären übrigens Triggerwarnungen angebracht gewesen.) Es ist ein Ende, wie es auch in einem echten Fall gegeben haben könnte, und das trotz allem etwas Balsam für die Seele ist – auch wenn es relativ offen bleibt.


Der Schreibstil von Fran Littlewood

Fran Littlewood hat Die unglaubliche Grace Adams in einer sehr bildhaften Sprache verfasst, die die Emotionen und Erinnerungen von Grace sehr gut vermittelt. Der Schreibstil ist nicht besonders anspruchsvoll, passt aber gut zu Grace Adams. Gut hat mir auch gefallen, dass Littlewood trotz der schrecklichen Hintergrundgeschichte immer wieder etwas Humor einbringt, der dem Buch die Schwere nimmt. So gelingt es Grace einige Male, sich in Situationen zu bringen, über die man nur schmunzeln kann.

Es ist vor allem Littlewoods flüssigem und emotionsgeladenen Schreibstil und dem gut durchdachten Aufbau zu verdanken, dass das Buch nach einigen Kapiteln plötzlich zu einem Page-Turner wird. Fran Littlewood versteht es, die Flashbacks und schmerzhaften Erinnerungen von Grace so natürlich zu erzählen, dass man sie ohne weiteren Kontext und explizite Erklärungen versteht. Der Einstieg mitten in die Szenen verleiht dem Buch auch die Geschwindigkeit, die es braucht. So macht die Autorin aus einer Familiengeschichte, die eigentlich rasch erzählt wäre, einen vom Aufbau her gelungenen Roman.

Meine Kritikpunkte

Trotz des Sogs fehlt mir allerdings an einigen Stellen der Tiefgang. Da wären einmal das leicht abrupte Ende und eine Anfangsszene, die Grace etwas erzwungen als starke Frau darstellen soll. Aber auch dass die Beziehung zwischen Grace Adams und ihrem Mann ständig auf die Anziehungskraft zwischen ihnen reduziert wurde, fand ich in Anbetracht ihrer Gemeinsamkeiten etwas schade. Generell ist der Roman sehr stark auf Graces Verzweiflung ausgerichtet. Dabei werden mehrere Schicksalsschläge und Stressfaktoren zugleich aufgeworfen, die überhaupt erst zu dem verhängnisvollen Crash geführt haben. Mit diesen wurde stellenweise etwas leichtfertig umgegangen – immerhin werden hier sehr schwere Themen angeschnitten. Auch die Charakterisierungen hätten ausgefeilter sein können.

An dieser Stelle sei erwähnt, dass das Buch einige Triggerwarnungen vertragen könnte – auch wenn das vermutlich stark spoilern würde. Schreibt mir daher gern, wenn ihr euch unsicher seid.


Die Charaktere in Die unglaubliche Grace Adams

Die unglaubliche Grace Adams dreht sich natürlich in erster Linie um Grace Adams selbst. Sie ist Sprachwissenschaftlerin, Übersetzerin und ein kleiner Nerd. Zu dem Zeitpunkt, zu dem wir sie kennenlernen, ist Grace an ihrer persönlichen Belastungsgrenze angelangt und am Boden zerstört. Grund dafür sind über Jahre verdrängte Gefühle in allen möglichen Bereichen – und ja, in diesem Punkt hat Grace wohl so ziemlich alles falsch gemacht. Trotzdem kann man sie nicht verurteilen, weil es in ihrer Situation bestimmt in sehr vielen Familien gleich verlaufen wäre. Und genau das macht diese Romanfigur so authentisch. Auf der gegenwärtigen Handlungsebene beweist Grace Adams mit ihrer Entschlossenheit, alles ins Reine zu bringen, auch endlich die Stärke, die ihr zuvor oft gefehlt hat.

Grace Adams (Ex-)Mann Ben und ihre gemeinsame Tochter Lotte werden als ähnliche Charaktere vorgestellt. Beide waren vor dem großen Ereignis liebevolle, offene Menschen und sind aufgrund des unverarbeiteten Traumas von ihrem Weg abgekommen. Ihr Verhalten generell, aber auch Grace gegenüber ist trotz aller Leser-Loyalität der Protagonistin gegenüber nachvollziehbar und speziell Lottes Fall bricht einem als Leser:in etwas das Herz.

Paradox: Trotz der hohen Emotionalität des Buchs behält man als Leser:in einen gewissen Abstand zu den Charakteren. Man fühlt mit ihnen mit, ist sich aber jederzeit bewusst, dass man sie nur „beobachtet“. Rückblickend betrachtet bleiben die drei Charaktere – vor allem aber Ben und Lotte – relativ blass. Es gibt das große Vorher und Nachher sowie das Warum, aber wenig Hintergrund oder individuelle Charakterisierung.


Fazit der Rezension zum Buch

Die unglaubliche Grace Adams ist ein Buch, von dessen buntem Cover man sich nicht täuschen lassen sollte. Statt eines fröhlichen Frauenromans erwartet einen eher ein Familiendrama. Das wurde jedoch mit einem angenehmen Stilmix aus Tragik und Komik erzählt. Auch wenn man stellenweise noch deutlich tiefer hätte einsteigen können, nimmt einen die Geschichte vor allem im Mittelteil gefangen. Das Geheimnis der Familie ist herzergreifend, trotzdem nimmt es einen nicht allzu lange mit. Der Lust auf eine emotionale Reise hat, wird mit diesem Buch seinen Spaß haben!

Wenn du Die unglaubliche Grace Adams liest, musst du mir unbedingt über meinen Instagramkanal @eulenmaerchen davon erzählen!

Viel Spaß beim Lesen!