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Hirn gegen Hayley: Rezension zum Buch

Hayley Morris ist ein TikTok-Phänomen. Seit einiger Zeit unterhält sie ihre Follower:innen mit lustigen Videos über ihr ewiges Gedankenkarussell als „Overthinkerin“. In ihrem Buch Hirn gegen Hayley erzählt Hayley Morris Geschichten aus ihrem Alltag, in denen sie dem ewigen Dialog mit ihrem Hirn ausgesetzt war. Ob Hayleys Comedy auch schriftlich funktioniert und wie mir das Buch gefallen hat, lest ihr in dieser Rezension zum Buch. [Anzeige*]


Steckbrief

Titel: Hirn gegen Hayley – Leidfaden von einer, die sich zu viele Gedanken macht

Autor: Hayley Morris

Übersetzerin: Constanze Wehnes, Lina Robertz

Seiten: 302 (Klappenbroschur)

Verlag: HEYNE

Erscheinungstermin: 05.07.2023 (dt. Ausgabe)

Hirn gegen Hayley Rezension

Rezension zum Buch Hirn gegen Hayley

Der Aufbau und die Handlung

Hayley Morris zerdenkt einfach jede Situation, ihr Hirn steht nie still – und das in allen Lebenslagen. Welche Gefechte sie schon mit „Hirn“ ausgetragen hat, erzählt sie in diesem Buch in Form von vielen kleinen Anekdoten. Das Buch ist dementsprechend in ganze 41 Kapitel aufgeteilt, in denen Hayley jedes Thema behandelt – wirklich jedes. Von WhatsApp-Chats, der Periode und Haustieren, über Friseur- und Arztbesuche, bis hin zu Fürzen und „Kacka“ ist alles dabei.

Die Comedy besteht nicht nur in ihren unterhaltsamen Nacherzählungen gewisser Situationen, sondern auch in der Darstellung des Gesprächs mit „Hirn“. Hayley betrachtet „Hirn“ nämlich als eigenständige Persönlichkeit, die ihr bei ganz normalen Tätigkeiten immer wieder dazwischenredet, Dinge unnötig in Frage stellt und unendlich viele Bedenken hat. Nur leider kann sie „Hirn“ nicht völlig ignorieren – deshalb müssen sie sich in (zumeist) lustigen Streitgesprächen einigen.

Meiner Meinung nach teilt sich Hirn gegen Hayley in drei verschiedene Kapitel-Arten:

1. Unterhaltsame Kapitel

In vielen Kapiteln geht es um Themen wie PMS, der Besuch beim Frauenarzt, WhatsApp-Chats, „Crushes“, Sex und Dates oder einfach Fakten, über was jeder von uns heimlich nachdenkt. Diese Anekdoten sind lustig aufbereitet und sorgen dafür, dass man sich an einigen Stellen selbst wiedererkennt. Ob sie allerdings alle unbedingt etwas mit „Overthinking“ zu tun haben, ist fraglich.

2. Nachdenkliche Kapitel (pun intended :D)

Leider selten, aber doch immer mal wieder, gibt es auch sehr schöne Kapitel, die wirklich mit Overthinking zu tun haben, in die man sich als „betroffene:r“ Leser:in hineinversetzen kann UND die trotzdem leicht aufbereitet sind. Das Gedankenchaos in der Pubertät, die erste Periode, Krankheiten, Bestellungen im Restaurant und der Kampf gegen Akne zum Beispiel. Damit konnte ich mich gut identifizieren und darüber lachen. Davon hätte ich mir mehr gewünscht!

„Wenn ich ausging, dann immer mit dem bleischweren Gedanken im Hinterkopf, dass meine Akne eine physische Manifestation meiner Unattraktivität war, meiner Unwürdigkeit. Hübsche Mädchen hatten offenbar keine Akne.“

3. Fragwürdige Kapitel

Das Buch beginnt ausgerechnet mit einem eher kritischen Thema: Intrusiven Gedanken. Psychologisch betrachtet nicht gerade leichte Kost, doch Hayley tut diese mit den Worten ab, dass laut Google viele Personen intrusive Gedanken hätten. Also sei das doch etwas „Normales“, kein Grund zur Sorge. Nun gut. Diese Einstellung spiegelt aber das gesamte Buch wider. Für mich waren viele Kapitel bzw. Themen dabei, die meines Erachtens zu leichtfertig behandelt wurden. Das halte ich bei psychologischen Problemen für schwierig, wenn nicht gar unverantwortlich. Da war ich schon froh, als nebensächlich erwähnt wurde, dass bei Hayley eine generalisierte Angststörung diagnostiziert wurde und sie auch in Therapie ist. Denn da ist vieles nicht mehr normal – und das sage ich als Overthinkerin No. 1!

Hayley lässt in diesem Buch wirklich kein Thema aus. Zum allem hat sie etwas Lustiges beizutragen. Das letzte Kapitel zur Trauer um ihren verstorbenen Vater habe ich deshalb nicht verstanden. So emotional es war, so wenig hat es hier hineingepasst.

Aufgepasst! Denn letztendlich ist der im Untertitel genannte Begriff „Leidfaden“ wörtlich zu nehmen. Im Großen und Ganzen ist das Buch eine Aneinanderreihung (vermeintlich) peinlicher Erlebnisse. Wer meint, er bekommt hier Hilfe, wie er selbst mit seinem Hirn besser klarkommt, liegt falsch und wird enttäuscht!


Der Schreibstil von Hayley Morris

Natürlich muss das Buch zu Hayley’s TikTok-Stil passen, um den Erwartungen gerecht zu werden. Daher ist es nicht überraschend, dass sich der Schreibstil an mündlicher Sprache orientiert und daher umgangssprachlich ist. Das sorgt auch dafür, dass sich das Buch sehr leicht und flüssig lesen lässt und der Comedy viel Raum bietet. Was man mögen muss, ist Hayley’s Humor. Der ist recht flapsig, oft sogar albern und fast immer unter der Gürtellinie. Ich musste einige Male schmunzeln, einige Male habe ich aber auch eher die Stirn gerunzelt. Zum Beispiel als Hayley mit starker Übelkeit und Unwohlsein aufwacht, sich Sorgen macht, extra einen Schwangerschaftstest besorgen geht, diesen panisch ausführt… und sich dann erst ganz plötzlich erinnert, dass sie sich am Abend zuvor betrunken hat. Wirklich?!

Es gab sogar Stellen, die ich regelrecht kindisch fand, wie zum Beispiel die folgende Szene (Erinnerung: Hayley ist eine 29-jährige Frau!).

„Als er gerade an der Tür angekommen ist, fährt der Bus ab und lässt ihn allein auf dem Bürgersteig zurück. O mein Gott, er ist einem Bus hinterhergerannt und hat ihn verpasst. Wie abtörnend. […] Na ja, vielleicht ist ja der Nächste der Richtige.“

Aber ist wohl eben genau der Humor, der Geschmackssache ist…

Alles in allem erweckt das Buch an vielen Stellen den Eindruck, dass es möglichst schnell runtergeschrieben wurde, um es rechtzeitig zum Hype um Hayley’s Person auf den Markt bringen zu können. Man kann nicht leugnen, dass die Themen etwas willkürlich gewählt wirken und Hayley Morris nun wirklich keine geborene Autorin ist.

Mit der Übersetzung sieht es ähnlich aus. Meiner Meinung nach ist der grundlegende Ton in Hirn gegen Hayley gut in die deutsche Umgangssprache übertragen worden. Wenn man gut Englisch spricht und mit dem Umgangston auf TikTok etwas vertraut ist, hört man aber durchaus raus, dass es aus dem Englischen übersetzt ist.


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Fazit der Rezension zum Buch

Machen wir uns nichts vor – Hirn gegen Hayley ist kein Buch, das die Literaturwelt bereichern sollte. Viel mehr war es ein Weg für den Verlag und für Hayley selbst, um noch mehr von dem TikTok-Erfolg zu profitieren. Und das merkt man ihm auch an. Trotzdem glaube ich, dass viele Fans es feiern werden. Der einfache Schreibstil wird dafür sorgen, dass auch Leute zum Buch greifen, die sonst weniger lesen. Für alle anderen Leser:innen gilt: Geschmackssache. Von der eigenen psychischen „Vorbelastung“, über den Humor, bis zum „Wohlfühlgrad“ mit den gewählten Themen gibt es viele Faktoren, von denen abhängt, wie man das Buch aufnimmt und ob es einem gefällt. Die Themen der Kapitel sind sehr unterschiedlich und verfolgen keinen richtigen roten Faden. Teilweise passen sie sogar nur ganz am Rande zum Thema.

Auch wenn ich mich von ein paar Kapiteln unterhalten gefühlt habe, eignet sich diese Art von Comedy meiner Meinung nach nicht für ein Buch. Für mich bringen Bücher direkt eine zu große „Ernsthaftigkeit“ mit – vor allem bei diesem Thema. Es gibt Dinge, die auf TikTok bleiben sollten und die die Buchwelt nicht unbedingt gebraucht hat.

Wenn du Hirn gegen Hayley liest, musst du mir unbedingt über meinen Instagramkanal @eulenmaerchen davon erzählen!

Viel Spaß beim Lesen!